• Meine Theater-Zeit

Meine Zeit im Theater
1987 - 1990 Charley's Tante

eine Eynar-Grabowsky-Produktion
Als Hauptdarsteller des Bühnenstücks «Charley’s Tante» sorgt Rolf Knie für Furore.
172 000 Zuschauer in der Schweiz und in Deutschland besuchen die 450 Vorstellungen.
"Meine Zeit im Theater "

1987 - 1990

Das Affentheater und der Haarverlust
Ob als wilder Gorilla oder falsche Tante. Rolf Knie überzeugte in allen Rollen - auf wie neben der Bühne. Auch wenn er gelegentlich sein Haar verlor.
Der Appetit kommt mit dem Essen. Nach dem grossen Erfolg von “Wir machen Spass” kam Rolf Knie so richtig auf den Theater-Geschmack.
1984 wagte er sich an ein Stück, das zu den prominentesten Beiträgen der neuzeitlichen Unterhaltung zählt “Charleys Tante”
Die unter dem Originaltitel “Chrley’s Aunt” 1892 in London uraufgeführte Farce lieferte einigen der grössten Komiker aller Zeiten eine Auftrittsgelegenheit. Im Stummfilm von 1915 spielte Oliver Hardy die Hauptrolle, zehn Jahre später übernahm Sydney Chaplin, der Bruder von Charlie Chaplin diesen Part.
Im deutschsprachigen Raum spielten sich Willy Millowitsch (1954), Heinz Rühmann (1956) und Peter Alexander (1963) in die Herzen des Publikums. Selbst eine sowjetische Version (1975) avancierte zum Grosserfolg.
Die Handlung basiert auf einer gleichsam simplen wie komischen Verwechslungssituation: Die Studenten Charley und Jack benötigen für eine geplante Verabredung mit ihren Freundinnen Amy und Kitty unbedingt eine Anstandsdame. Weil aber Charleys Tante aus Brasilien, Donna Lucia d’Alvadorez, nicht rechtzeitig eintrifft, überreden die beiden ihren Kollegen Lord Fancourt Babberly die Rolle der Tante zu übernehmen.
1987 inszenierte der legendäre Zürcher Theatermann Eynar Grabowsky das Stück in der Schweiz und transportierte die Handlung in eine Tessiner Villa. Rolf Knie erhielt die Hauptrolle als männliche “Notfall-Tante”. Es war sein erstes Engagement in einer Produktion dieser Grössenordnung - mit arrivierten Schauspielern wie Vincenzo Biagi, Ruth Bannwart und Sylvia Lydi. Entsprechend trat Knie seinen neuen Job mit gemischten Gefühlen an: “Bei der gegenseitigen Vorstellung vor der ersten Probe erzählten mir die anderen Darsteller, was sie alles schon gemacht haben – mit welchen Schauspielern und Regisseuren sie gearbeitet haben.” Knie dachte für sich: „Oh läck – ich habe die Hautprolle, aber bin eigentlich nur der Zirkus-Clown. Ausser dem Stück mit Jiri Menzel besitze ich gar keine Erfahrung in diesem Metier.“ Die Skepsis war unbegründet: Rolf Knie trat über 450 Mal als Charlyes Tante auf, füllte die Theatersäle in der ganzen Schweiz und feierte auch in Deutschland grosse Erfolge.
Der Zürcher Schauspieler Vincenzo Biagi, der damals einen Verehrer der falschen Tante spielte, muss rückblickend über Knies Lampenfieber lachen: “Rolf war ein absoluter Profi. Er ging mit Respekt und grosser Disziplin an die Aufgabe heran. Es war, als hätte er schon immer auf der Theaterbühne gestanden.” Ruth Bannwart, die die Haushäterin Signora Fumagalli verkörperte, erinnerte sich ebenfalls mit Amüsement an den jungen Kollegen: “Die Rolle war Rolf Knie auf den Leib geschrieben. Er konnte darin sein komödiantisches Talent voll ausleben.”
Knie spielte den Clown auch gerne abseits der Bühne - ganz zum Vergnügen des Ensembles: “Rolf sorgte auch hinter der Kulisse für gute Laune und hatte immer eine Witz parat. Und mit seinem Charme wurde er schnell zum Liebling der weiblichen Theaterangestellten”, erinnert sich Biagi. Ruth Bannwart, die heutige Ehefrau von Biagi, widerspricht nicht: “Rolf Knie ist ein Charmeur der alten Schule.”
Im schauspielerischen “Nahkampf” machten Biagi und Bannwart unterschiedliche Erfahrungen: “Rolf war sehr sportlich - bei den Umarmungen hat er mich jeweils so stark an sich gedrückt, dass es mir fast die Luft abschnürte”, erzählt Biagi. Seine Gattin erinnerte sich an eine ganz andere Geschichte: “Bei Proben im Zürcher Muraltengut zupfte ich Rolf spasshalber an den Haaren - und hatte plötzlich sein Toupet in der Hand. Ich war völlig perplex - denn niemand wusste, dass die Haare nicht echt waren.”
Qualitativ ebenso hochstehend gut wie der Haarersatz war Knies Talent als Schauspieler. Dass der Zirkusmann nur wenig Bühnenerfahrung mitbrachte und nie eine Schauspielschule besucht hatte, war für Biagi kein Faktor: “Ausnahmetalente wie Rolf Knie brauchen keine Schauspielschule. Ihnen genügen die natürliche Begabung und die Freude am Beruf.”
Im wichtigsten Grundsatz gibt es ohnehin eine grosse Gemeinsamkeit zwischen der Arbeit auf der Bühne und in der Manege: “Wenn du etwas fühlst, kommt es viel besser rüber, als wenn du es nur lernst. Nur wenn du dich voll in eine Rolle hineinleben kannst, werden die Emotionen über den Bühnenrand hinaustransportiert. Sonst fehlt die Authentizität”, beschreibt es Rolf Knie - und kommt bei der Erinnerung an “Charlyes Tante” ins Schwärmen: “Wir hatten eine grossartige Zeit mit diesem Bühnenstück.”
Die anderen Darsteller teilen diese Meinung: “Es war in jeder Beziehung sehr inspirierend mit Rolf zusammenzuarbeiten”, sagt Ruth Bannwart. Vor allem eine Episode (hinter der Bühne) ist allen Beteiligten in lebhafter Erinnerung geblieben: Nach Proben in Rappserwil lud Rolf Knie das Theater-Ensemble zu einem Drink ins Winterquartier des Circus Knie beim Kinderzoo ein - unter ausdrücklicher Warnung vor einem Gorilla, der in einem Käfigwagen sein nächtliches Unwesen treibe.
Als das Poltern im Wagen immer lauter wurde, wollten die Besucher das “Ungeheuer” mit eigenen Augen sehen. Rolf Knies Sohn Gregory führte die Gäste vor den Käfig. Biagi erinnert sich: “Wir standen vor den Gittern mit Bananen und Schokoladenriegeln in den Händen, um den Affen zu füttern. In der Ecke sass eine schwarze haarige Erscheinung und raschelte wie wild im Heu. Plötzlich ging die Käfigtür auf und die Kreatur sprang uns entgegen. Die Frauen schrien vor Angst - und auch uns fuhr der Schrecken durch die Glieder.”
Biagi und seine Schauspielerkolleg(inn)en blieben unversehrt. Der wilde Gorilla riss die Maske vom Gesicht - und entpuppte sich als Rolf Knie im Affenkostüm.
Nicht nur mit seinen tierischen Spässen ist Knie seinem Kollegen in bester Erinnerung geblieben. “Er war für unsere Unterstützung sehr dankbar und hat sich dafür immer erkenntlich gezeigt”, erzählt Biagi. An seinem 50. Geburtstag veranstaltete Rolf Knie ein grosses Fest in Baden. Zu den geladenen Gästen zählte auch das Ensemble von “Charleys Tante” - 10 Jahre nach der letzten Aufführung. “Das ist typisch für Rolf - bei allem Erfolg hat er seine alten Weggefährten nie vergessen. Ich habe selten einen ähnlich grosszügigen Menschen erlebt”, erzählt Vincenzo Biagi. Und einen ähnlich wandelbaren - bliebe anzufügen. Denn ein Gorilla mit Toupet wurde seither weder in der Zirkusmanege noch auf der Theaterbühne je wieder gesichtet.